hntrlnd » Kasachstan http://www.hntrlnd.de Lenin, Leute, Brot und Spiele Fri, 27 Jun 2014 19:11:05 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.8.1 Kasachisches Bisnes und zweitausendfünfhundert Kilometer http://www.hntrlnd.de/?p=1032 http://www.hntrlnd.de/?p=1032#comments Wed, 18 Jun 2014 16:20:27 +0000 http://www.hntrlnd.de/?p=1032 Zweie vor Plastik

Zweie vor Plastik

Der eigentliche Fahrkartenschalter ist noch weit entfernt. Anstatt des „Taxi, Taxi, Taxi“ Gesangs vor der Bahnhofshalle, entsteht nun aus „Ticket, Ticket, Ticket“ die Hintergrundmusik. „Sag schon, wo wollt ihr hin?“ unterbricht jemand unseren Gang zur Schalterangestellten. „Astrachan“ antworte ich, ohne mich zu ihm zu wenden. Die Südstrecke durch Kasachstan geht über zweieinhalbtausend Kilometer. „Bei mir kostet das Ticket 20000.“ Ich drehe mich zu dem auskunftsfreudigen Verkäufer. „Aha,“ sage ich „aber wie funktioniert das, dass du mir den Fahrpreis günstiger anbieten kannst?“

Kartenverkauf hinter der Grauzone

Kartenverkauf hinter der Grauzone

„Wir sind Kasachen“ antwortet er und führt uns zu einem Terminal, an dem man sich die freien Plätze in den Zügen anzeigen lassen kann. „Wir kaufen keine regulären Tickets, das ist uns zu teuer.“ Er zeigt auf den Bildschirm „Siehst du, wie viele freie Plätze es gibt? Niemand kauft hier Tickets. Die kosten 5000 mehr.“ „Also, wie funktioniert dann euer System?“ frage ich. „Ich gebe dem Zugbegleiter vor Abfahrt eine Liste mit den Namen der Passagiere, die bei mir eingekauft haben.“ Er wird redselig „Außerdem bekommt der Zugbegleiter von mir seinen Anteil am Verkaufspreis. Das ist völlig sicher, alle Kasachen machen das so.“ Neben uns kauft gerade eine zumindest kasachisch sprechende Familie ihre Tickets am Schalter. „Ja,“ sage ich „ aber wir sind keine Kasachen, sondern anstrengende Deutsche. Wir brauchen ein offizielles Ticket in der Hand, damit wir uns sicher fühlen. Ein Ticket könntest du uns aber nicht geben, wenn wir bei dir kaufen, richtig?“ Er sieht aus, als würde er sich ärgern über seine Ausführungen, die unsere Skepsis nicht verhindern konnten. „Nein, aber ihr steht ja dann auf der Liste. Das ist todsicher und billiger.“ Ich verneine sein Angebot: „Danke, aber wir bezahlen lieber mehr und haben dann ein Ticket in der Hand.“ Er winkt ab: „Ja, dann geht doch zum Schalter und lasst mich in Ruhe.“ Er ist so schnell verschwunden, wie er anfangs auf uns einredete.

Hightech und Bahnsteig

Hightech und Bahnsteig

Auch der Kauf am offiziellen Schalter ist suspekt ab dem Moment, als Dirk mit Karte bezahlen will. Die Schalterangestellte steckt die Karte hinter dem Fenster in ein mobiles Lesegerät und fragt Dirk nach der Geheimnummer. Die geben wir ihr natürlich nicht. Sie muss also aus dem Schalterraum herauskommen, damit Dirk die Nummer selbst eintragen kann. Auch der Preis ist seltsam, genau 20000 pro Person. Unsere wichtigste Vorbedingung ist nun aber erfüllt: wir haben zwei ausgedruckte und offiziell aussehende Tickets in der Hand. Einen Tag später stehen wir auf dem Bahnsteig, der Hightech-Plastikwagon erwartet uns mit offenen Türen. Ich kaufe Zigaretten an einem Bahnsteigkiosk. Am Tisch sitzt die Verkäuferin mit einem Gast, dieser leert ein kleines Fläschchen Brandy. „Verkaufst du Zigaretten?“ frage ich. Sie geht zum Tresen und holt unter dem Ladentisch die zwei Sorten heraus, die sie anbietet. Scheinbar hat sie keine Erlaubnis, Zigaretten zu verkaufen. Das bringt mich auf eine Idee: „Dann hätte ich noch gern ein Fläschchen von dem, was er da trinkt“ Bereitwillig zieht sie auch eine baugleiche Flasche unter dem Tresen hervor und nennt mir den Preis. Stolz gehe ich zum Wagon zurück.

Bahnhof und Bisnes

Bahnhof und Bisnes

„Darf man im Zug rauchen?“ frage ich die beiden Zugbegleiter am Eingang des Wagons. „Nein, darf man im ganzen Zug nicht“ antworten sie simultan. „Es gibt keinen Raucherplatz im Zug auf der langen Strecke?“ Der eine zwinkert mir zu: „Ich zeige dir später die Möglichkeit.“ Also frage ich nochmal nach, nachdem er den Zug und seine Eigenheiten erklärt hat. Ein Zug chinesischer Bauart mit kurzen Wagons. Man kann komplett durchgehen, ohne Zwischentüren öffnen zu müssen. Die Vier-Betten-Kupees sind etwas kleiner als in den Wagons alter Bauart. „Für 4000 zeige ich dir, wie und wo du ohne Probleme rauchen kannst.“ Ich übersetze Dirk, 18 Euro sind uns zu heftig. Das wäre unser letztes Bargeld und das hätten wir gerne für die Marschrutka nach Russland. Später sage ich zu unserem Zugbegleiter: „Für 2000 hätten wir gerne deine Informationen, wir brauchen noch etwas Geld bis Russland.“

Plastik und Bisnes

Plastik und Bisnes

Er und ein „Qualitätsoffizier“, der uns später Fragebögen zur Zugfahrt geben will, zeigen mir das Klo. Hier gibt es einen ständig rotierenden Abzug und keinen Feuermelder. Wenn man weitere fünf Minuten nach der Zigarette drin bleibt, ist der Rauch abgezogen, so die Erklärung. Hätte man auch selber drauf kommen können. Wir sehen die 2000 eher als Bezahlung für das Protektorat. Falls es doch wegen Rauchgeruchs zu Komplikationen kommen sollte, werden wir von den Zugbegleitern nicht belangt.
Erleuchtet Kamel Moskauer Viele Kamele Salztümpel Angekommen in Atirau Jens vor Lieblingshintergrund Rastplatz

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Asem und Almaty http://www.hntrlnd.de/?p=1007 http://www.hntrlnd.de/?p=1007#comments Fri, 13 Jun 2014 08:35:37 +0000 http://www.hntrlnd.de/?p=1007 Asem und der lange Gang

Asem und der lange Gang

Das ist Asem. Sie begrüßt uns mit drei Worten Englisch im gerade eröffneten Nomads-Hostel in Almaty. Asem ist 19 Jahre alt und studiert Jura im zweiten Jahr. Jetzt in den Semesterferien arbeitet sie in der Rezeption des riesigen Hostels. Zweiundsiebzig Betten. „Das größte Hostel in Almaty.“ sagt sie stolz. An einem langen Gang reihen sich die Mehrbettzimmer, ganz hinten im Gang gibt es das Gemeinschaftszimmer mit Küche. Wenn Asem nicht durch den Gang rennt, sitzt sie vorne am Tresen und klickt im Internet herum. Da sie so klein ist, sehen wir sie nicht, sie hört uns aber und steht dann auf, um uns zu begrüßen, oder einfach nur zu sehen, wer da kommt. Mich hätte es nicht gewundert, wenn sie auf einmal aufgetaucht wäre und wie im Kasperletheater „Seid ihr alle da?“ gerufen hätte. Im Hostel wird immer noch gebaut. Es zieht ein Lackgeruch durch die Räume. Ein Arbeiter geht durch die Zimmer und lackiert die Badewannen. Eigentlich sollte man hier wohl noch niemanden ins Haus lassen, allerdings sind wir schon die zweiten Gäste. Asem merkt man schnell an, dass sie nur mit dem Übersetzer im Handy Englisch reden kann, wir einigen uns also auf russische Kommunikation, dabei hilft sie mir gerne unaufgefordert, die Sätze richtig zu formulieren. Sie ist auch überrascht, wenn sie mir ihre Frage in einfacheren Worten stellen soll, ich müsse wirklich Vokabeln lernen, sagt sie dann.
„Wie oft spazierst du eigentlich jeden Tag durch den Gang?“ frage ich sie „Ich spaziere doch nicht.“ antwortet sie entrüstet. „Natürlich spazierst du nicht.“ beschwichtige ich „Also wie oft gehst du?“ „Naja, so 30 Mal, vielleicht?“. Wenig später, als sie wieder an unserem Zimmer vorbeiläuft, ruft sie hinein: „Vielleicht sind es aber auch 40 Gänge.“ Dabei lächelt sie entwaffnend und ich lächle zurück. Den störenden Lackgeruch erwähne ich ihr gegenüber nicht.
Stadt der Äpfel Stadt und Smog Schewtschenko in Almaty Selionui Bazar im Plattenbau Parkplätze, Beässerungskanal, Familie Erinnerung an die Verteidigung Moskaus Zweites internationales Folklorefestival Telefonate vor Abylai Khan vor Hauptbahnhof

„Findest du Almaty nicht ganz schön laut?“ frage ich. „Na, wir sind hier im Zentrum, es gibt stillere Orte in der Stadt. Ihr müsst Euch die vielen Parks ansehen.“ Sie beginnt die Namen der schönsten aufzusagen. Natürlich merke ich mir keinen, aber ich nicke trotzdem. „Und eine Querstraße weiter, wenn einen ständig jemand anspricht, ob man ein Handy kaufen möchte, stört dich das nicht?“ „Ach, beim Basar. Nein, da gehe ich nicht allzu oft entlang und dann ignoriere ich die.“ Sie wird sich keinen negativen Satz über ihre Stadt entlocken lassen. „Aber einmal hab ich da nur an der Ecke gestanden, ganz kurz. Da kam einer auf mich zu und fragte mich ‘Kaufst du oder verkaufst du Handys?’“ Asem hat Humor und Energie. Sie nimmt ihren Ferienjob in ihrem Hostel in ihrer Stadt ernst. Nach dem autokratischen System, dem Fehlen von Opposition oder dem Verscherbeln der Ressourcenausbeutung an internationale Konzerne brauche ich sie nicht zu befragen. Sie mag es hier. „Warum sollte man woanders hin wollen, die Stadt ist wirklich schön.“ sagt sie ohne zu zögern. Ich glaube ihr.

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Dekadenz http://www.hntrlnd.de/?p=982 http://www.hntrlnd.de/?p=982#comments Wed, 11 Jun 2014 17:28:41 +0000 http://www.hntrlnd.de/?p=982 So viel Platz war noch nie

So viel Platz war noch nie

Den Busbahnhof in Bischkek kennen wir. Spätestens mit unseren großen Rucksäcken können wir nicht mehr den Taxi-Anbietern entfliehen, die einen innerhalb von Sekunden belagern. „Taxi, Taxi, Taxi“ ist der Kanon, in welchen auf allen Seiten eingestimmt wird. Ich möchte antworten: „Du suchst ein Taxi? Warum fragst Du mich? Hier stehen doch ganz offensichtlich genug herum.“ Wir versuchen vor dem Gesang zu fliehen um wenigstens noch eine Zigarette zu rauchen und vielleicht herauszubekommen, wo die Marschrutkas stehen, welche uns nach Almaty bringen. Auch in der hintersten Ecke des Busbahnhofs haben wir nur eine halbe Zigarettenlänge lang Ruhe.

Bischkek Busbahnhof

Bischkek Busbahnhof

Die folgenden Angebote sind geprägt von Hektik und Argumenten. Ich unterbreche die Drückerkolonne in ihrem Redefluss und sage: „Wir wollen einen Platz in einer Marschrutka nach Almaty. Wir würden auch etwas mehr bezahlen. Wichtig ist uns, das wir genügend Platz haben, also dass nicht mehr Leute im Bus sind, als Sitze. Außerdem möchten wir schnell über die Grenze nach Kasachstan kommen und nicht lange im Stau stehen.“
„Also viel Platz wollt ihr, Komfort, dann habe ich hier ein Taxi für Euch, 3000 SOM“ Also 40 Euro würde uns das Taxi kosten. „Aber an der Grenze müsst ihr warten“ sagt ein Anderer „Ich habe ein besseres Angebot. In den nächsten Stunden fahren keine Marschrutkas. …“ Die Busse fahren erst los, wenn sie voll besetzt sind und es dauert lange bis genug Passagiere nach Almaty gesammelt wurden. „… Ihr bekommt eine Marschrutka ganz für Euch alleine, die muss an der Grenze nicht anstehen, 5000 SOM“ Also 70 Euro für die 300 Kilometer.

Auf Wiedersehen Kirgistan

Auf Wiedersehen Kirgistan

„Das ist uns zu teuer.“ antworte ich. „Na los, 4500 SOM. Eine Marschrutka nur für Euch. Hat sogar Fernseher.“ Er schiebt uns Richtung Bus. So kurz wie möglich und so gut ich kann übersetze ich für Dirk, zu was für Konditionen wir den dekadentesten Grenzübertritt unserer Reise bekommen würden. Mit einigem Gedränge der Verkäufer und einsetzenden Bauchschmerzen entscheiden wir uns dafür. Der Bus ist mit den besten Sitzen ausgestattet, die wir jemals in einer Marschrutka gesehen haben. Wie immer in Kirgistan ist es kein GAZ, ein Lizenzbau des Ford Transit, sondern ein schätzungsweise 8 Jahre alter Mercedes Transporter, perfekt runderneuert und ausgebaut. Es gibt wirklich einen ausklappbaren großen Bildschirm, aber der interessiert uns nicht. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass Zweie diesen Zwanzigsitzer alleine besetzen, die Schlafmöglichkeit auf der hintersten Sitzbank ist trotzdem verlockend. Ich sage zu unserem Busanbieter, wir wollen zwar schnell los, aber falls doch noch weitere Fahrgäste auftauchen, sollen sie bitte mit in dem Bus fahren. „Nein.“ sagt er „Der ist nun Euer, ihr fahrt jetzt los.“

Alep und Alia

Alep und Alia

Kurz bevor wir den Busbahnhof verlassen haben, rennt er uns hinterher, winkt dabei zu mir und nicht zum Fahrer, er hätte da noch zwei Mitfahrer, ob wir sie mitnehmen würden. Ich sage „Ja, natürlich.“ und versuche mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Ein altes Ehepaar steigt dazu, er kassiert ihre 800 SOM. „Aber das dauert ja noch?“ fragt die Oma „der Bus ist ja noch leer“. „Nein,“ er lächelt die beiden an „die beiden Touristen haben sich einen ganzen Palast gemietet.“ „Achthundert kostet es die beiden?“ mische ich mich ins Gespräch ein „Also vierhundert für uns.“ grinse dabei aber zu offensiv über die eigene Kaltschnäuzigkeit. „Aber was denn, der Bus ist doch 7000 wert!“ antwortet er leicht angesäuert, gibt dem Fahrer dessen Anteil und sagt zu ihm „Hörst Du, wie er verhandelt? Du sammelst keine weiteren Mitfahrer ein, einfach durchfahren!“. Darauf wollte ich ja nicht hinaus, ich wollte den Palastpreis drücken, der eigentlich viel zu hoch ist. Einmal schlecht verhandelt bedeutet in unserem Falle teuer bezahlt. Dabei bleibts.

Dirk und das Lenindenkmal in Leninskoje

Dirk und das Lenindenkmal in Leninskoje

Kurz vor der Grenze bemerken wir das Ortseingangsschild „Leninskoje“. „Hast Du ein Foto gemacht?“ fragt Dirk. „Nicht rechtzeitig bemerkt“ erwidere ich, frage aber den Fahrer: „Wir sind doch jetzt im Ort Leninskoje. Gibt es da nicht vielleicht ein Lenindenkmal?“ „Keine Ahnung.“ antwortet er, ist aber sofort am telefonieren. Er fährt langsamer und findet die recht kleine, vergoldete Leninstatue. Sie steht in einem Park, dessen Pflanzenbestand einigermaßen gepflegt ist. Jedoch das Gebäude hinter dem Denkmal wurde garantiert seit 25 Jahren keiner Sanierungsmaßnahme ausgesetzt. Es darf langsam und kontinuierlich zerfallen. Der Bus hält und wir fotografieren uns gegenseitig, wie es solche seltsamen Touristen eben tun, die einen Leninfaible haben und sich einen ganzen Bus mieten. Das Rentnerehepaar guckt nur entgeistert, als ich mich zu ihnen drehe und „Entschuldigt bitte die Unterbrechung“ sage.

Ein Bus parkt in Leninskoje

Ein Bus parkt in Leninskoje

„Wissen Sie,“ sage ich später zu Alia, der Oma „ein mal im Leben sollte man eine ganze Marschrutka nur für sich alleine gemietet haben.“ „Das ist doch viel zu teuer!“ entgegnet Alep, der Opa leicht verärgert, lacht dann aber doch mit, als ich sage, so hätten wir das bestimmt nicht geplant gehabt.
Die Grenzkontrolle verläuft ausreichend schnell, wir spazieren mit Gepäck und Pässen und schneller Kontrolle durch die kirgisischen Grenzerhäuschen. Dann entdecke ich Alep, der sich suchend und verunsichert im Vorraum der kasachischen Grenze umsieht. „Meine Frau ist weg.“ sagt er „Gerade sind wir noch zusammen gegangen und jetzt finde ich sie nicht mehr.“ Ich sage ihm, dass ich sie auch nicht gesehen habe. „Aber sie hat doch auch meinen Pass.“ stellt er fest.

Zwischen den Grenzkontrollen kann man sich verlieren

Zwischen den Grenzkontrollen kann man sich verlieren

Ein kasachischer Polizist möchte ihn zur Kontrolle leiten. „Sein Pass ist bei seiner Frau.“ sage ich zum Polizisten. „Ja, bei der Kontrolle muss jeder seinen Pass bei sich haben.“ entgegnet er. Das Tonband in seinem Kopf wurde eingeschaltet, es gibt die aufgenommenen, unabänderlichen Worte wieder. „Sie müssen ihm doch helfen können?“ frage ich, während mich der Grenzer im Kontrollhäuschen darauf hinweist, dass ich bitte in die Kamera gucken soll. „Falls sie schon durch die Kontrolle ist und Sie sie sehen, geben Sie jemandem Bescheid“ ruft der Polizist als ich meinen Pass entgegennehme. Er kümmert sich um den Opa. Als wir nach einer Stunde alle vier wieder in der Marschrutka sitzen, sind die beiden Großeltern sehr nachdenklich. Ich frage Alia, was passiert sei. „Ach, ich bin eine Agentin.“ sagt sie, alle lachen, auch der Fahrer, auch Dirk, nachdem ich übersetzt habe. „Vielleicht wollten sie darauf warten, dass ich bei der Kontrolle gleich wegsterbe.“ ergänzt sie grinsend. „Naja, letztendlich hat es ja doch nicht so lange gedauert.“ erlaube ich mir zu sagen.

Viere können endlich die Grenze von Kasachstan aus sehen

Viere können endlich die Grenze von Kasachstan aus sehen

„Ach früher war das kein Problem hier an der Grenze, es gab keine.“ sagt sie leise und nachdenklich. Zu ihrem Mann sagt sie: „Warte mal ab, in einem Jahr spätestens geht das hier alles wieder leichter.“ Sie ist gebürtige Russin. In den Fünfzigern zog sie nach Kirgistan, ihr Bruder zog in einen Ort in Kasachstan. Bis heute besuchen sie sich oft gegenseitig. Sie ist Biologin, ihr Mann ist Sänger gewesen. Sie erinnert sich, erzählt vom Leben in der Sowjetunion. Wieder Episoden von alten Menschen, die mit der SU nicht nur den Sozialismus, sondern auch die eigene Jugend verbinden. Eine bessere Zeit. Diese Sichtweise ist mir oft auf der Reise begegnet. Dabei hat Alia Humor und kann über sich selbst lachen, sie ist stolz auf die Kinder, die in der Welt verstreut leben. Die Eurasische Union ist für sie ein Hoffnungsschimmer, bestimmt auch weil sie Russin ist, abgesehen davon merke ich ihr an, dass sie recht wütend über die unnötige Tortur an der Grenze ist, besonders der unnötige Stress für ihren schon recht senilen Mann ärgert sie.
Willkommen in Kasachstan Leuchtturmprojekt Landkreis Almaty Willkommen in Almaty

„Ich wünschte, es gäbe auf der ganzen Welt weniger Grenzen.“ sage ich und werde mir gleichzeitig der Realitätsfremde und Bedeutungslosigkeit des Gesagten bewusst. Ich schäme mich fast ein bisschen für den Satz. Als die Beiden in Almaty aussteigen, sagt Alia: „Entschuldigt bitte die Einschränkung Eures Komforts, die wir Euch bereitet haben.“ Dann lacht sie laut auf. Wir lachen mit. Alia und Alep reisen weiter zu ihrem Bruder. Sie hat die Kontrolle, die Pässe und die Wortführung. Er ergänzt manchmal, aber lässt sie meistens reden. Manchmal fragt Alep Alia, ob er eine Zigarette rauchen darf. Als wir vom Lenindenkmal zurück zum Bus kamen, nahm sie ihm die Zigarette nach ein paar Zügen weg. Ich sagte: “Wir können doch noch die Zigarette lang warten?“ „Nein“ antwortete Alia „wir fahren los.“ Alep schloss ohne zu Murren die Bustür hinter sich.

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