Kategorie-Archiv: Der Nase nach

Wozu Baku?

Eindeutig noch keine Saison

Eindeutig noch keine Saison

Dieser Präsident, dessen Namen ich mir nicht merken will (obwohl es der gleiche Nachname sein wird wie der seines Vaters, welcher bereits die AsSSR regierte und dann, wie sein Sohn, demokratisch immer wieder gewählt wurde – wen interessiert der Apparat dahinter?) grinst und winkt aus allen Ecken. Zumindest seine Person weckt den Anschein einer ständigen Dauerfröhlichkeit, die Aserbaidschan beseelt. Weiterlesen

Der Versuch, zu verstehen

Das dritte AugeAls ich versuche, die Oper der Stadt in meine 50mm Festbrennweite zu stopfen, was an ihrer schieren Größe und der Starrheit meines Blicks scheitert, werde ich angesprochen. Erst auf ukrainisch, ich verneine nett in russisch. Dann in russisch. Ich verneine wieder. Dann polnisch. Dann englisch. Jetzt verstehe ich. Ein „Guide“ bietet uns seine Dienste an, die ich nach kurzem Verhandeln auch annehme.
Weiterlesen

Gde nachoditsa Wogsal?

header
Halbzehn, auf zum Bahnhof, Zugtickets kaufen. Die grobe Richtung kennen wir, gestern waren wir bereits da, ich stellte mich am ersten Schalter an und erfuhr dort, welcher Schalter der richtige gewesen wäre, also Anstellen bei Schalter Nummer Neun. Beim Anstehen kommt es auf die richtige Erziehung an, einmal noch kurz die Freiheit einatmen und dann stehen, in der Schlange, Geduld üben, langsam ein- und ausatmen. Dirk fing schnell an herumzutänzeln: “Ich geh rüber zur Information, da ist keine Schlange. Ich frag mal, ob wir das auch online machen können.” Nach kurzer Zeit kam er zurück mit einem Zettel: “Hier, hör auf hier rumzustehen, die Angestellte war sehr freundlich und hat mir alles aufgeschrieben.” Also ab ins Domizil, online buchen. Es regnete heftig, wir nahmen ein Taxi. Der Taxifahrer gab 50 Grivna als Beförderungspreis an, wir fuhren los, ich redete mit Dirk Belangloses.
Weiterlesen

IMGP3941

Sibirische Fischsuppe

Ich habe das nur rudimentär verstanden. Aber der alte Mann, dessen Namen ich heute schon vergessen habe, sagte, er sei nach dem zweiten Weltkrieg aus einem Arbeitslager in Zentral-Sibirien auf die Krim gelaufen. Er wohnte für sich allein ein Stück außerhalb eines kleinen Dorfes am Asowschen Meer, fast siebzig, braungebrannt, sportlich und die Finger an seiner rechten Hand gelbbraun vom Rauchen. Er machte Fischsuppe, indem er zwei Fische, die er geangelt hatte, mit einem gekonnten Schnitt am Bauch aufschlitzte, sie samt Kopf und herausgetrennten Eingeweiden zu ein paar Möhren und Petersilie in einen Topf warf und die halbe Stunde Kochvorgang mit dem Trinken von Konjak und dem Drehen und Rauchen von Zigaretten ohne Filter überbrückte. Unter seinem offenen Hemd schimmerte das Gesicht Lenins durch, was er sich selbst auf seine Brust tätowiert hatte. Ich nahm ein gekochtes Fischauge zwischen die Zähne und ließ es platzen. Es schmeckte hervorragend.

tscheremscha

Tscheremscha!

“Das sind Bohnen” kaute André, der Deutschrusse, Projektleiter unserer Expedition auf der Krim. “Nein, ist es nicht” erwiderte ich. “Das ist Tscheremscha, Knoblauchgras nenn ichs.” “Na, irgendwas mit Bohnen ist es doch.” Gibt es auf jedem Ruinok, stinkt wirklich intensiv nach Knoblauch, sauer eingelegte Bergknoblauchstengel, wie ich durch Recherche für diesen Text herausfand. “Kak nasiwajut eto?” fragte ich beim nächsten Besuch die alte Oma hinter ihrem Stand und zeigte auf beschriebene Bohnen. Als sie mit ihren drei übrigen Zähnen “Tscheremscha” geantwortet hatte, kaufte ich grinsend ein, ich Klugscheißer.

Schon wieder der Staatsanwalt

Er war selbst noch nie dort, aber es soll da ganz hervorragendes Essen geben – unser Freund Igor hat uns ins – laut seiner Aussage – beste Restaurant der Stadt eingeladen. Letztendlich musste ich vor dem Essen dort flüchten und esse gerade ein warmes Brötchen gefüllt mit Hack, Zwiebeln und Knoblauch am tatarischen Straßenimbiss. In der Hand sieht es aus, als hätte ich in ein Aliengehirn gebissen. Aber von vorn:
Das Schild mit dem Namen des besten Ladens der Stadt konnte ich nicht lesen, da es nicht beleuchtet war. Will heißen: die Lampe war kaputt. Also keine Absicht. Im Vorraum des Kellers, in dem sich das Restaurant befindet, begrüßte mich ein hagerer Mann in den verzweifelten 50ern, der an einen Eisverkäufer in den 90ern im Leipziger Capitol erinnerte. Sein ehemals weißes Hemd war milchig wie seine Zähne; sein asymmetrisches, krudes Gesicht auf seltsame Art liebenswürdig. Der arme Mann, musste hier Jacken aufhängen, für uns, die einzigen Gäste. Weiterlesen

shrimps

Weltraumbahnhöfe und Borschtsch

Bei Starkregen und Nordwind Fahrt zum Weltraumbahnhof Bagerowo, einer zugewachsenen Betonwüste im Nichts, auf deren von Rindern besiedelter Landebahn laut Aussage unserer ukrainischen Freunde ein Space Shuttle landen könnte. Im Moment wird allerdings das letzte noch verbliebene Gebäude, ein Hangar, gerade von vier Bauarbeitern mühsam und langsam abgetragen, um ihn woanders wahrscheinlich mühsam und langsam wieder aufzubauen. Hier habe sich vor vielen Jahren der Start der ersten russischen Atombombe ereignet, wird uns von unserem Fahrer Walodja mit großen Augen zugetragen. Der Grund für den Ausflug ist der Besuch einer Baufirma, deren zehn Mitarbeiter damit beschäftigt sind, Steine zu klopfen, Drähte zu binden und viel zu teure Maschinen zu reparieren, weil sie falsch bedient wurden. Weiterlesen