Akmal, Taschkent, Usbekistan

Das Atlas-Hotel wurde vor zwei Monaten eröffnet

Das Atlas-Hotel wurde vor zwei Monaten eröffnet

Akmal ist Anwalt und hat das Atlas-Hotel mitten in Taschkent bauen lassen, in welchem wir fünf Tage übernachten. Es ist sein Design, das ist ihm wichtig zu erwähnen. Die großen etablierten Hotels sind viel teurer, man kann aber den gleichen Komfort bieten zu geringeren Preisen. Natürlich möchte er weiter über die Vorteile seines wirklich gelungenen Hotels erzählen, aber mich interessieren ja meist andere Fragen als jene, die verkaufsfördernde Antworten provozieren. So viel sei gesagt, das Hotel ist durchdacht, unser Zimmer ist fast unökonomisch groß, der Komplex hat zwei Stockwerke und bildet kreisförmig einen schattigen Hinterhof, den man bereits Ende Mai unbedingt in dieser Stadt braucht. Alte Türen und Fenster wurden saniert und erhalten. Hier hat sich jemand Gedanken gemacht.

Akmal - erfolgreich und stolz auf sein Land

Akmal – erfolgreich und stolz auf sein Land

Ich frage ihn nach seiner Meinung zu Usbekistan und wir kommen ins Gerede. Im folgenden seine, wie ich denke, patriotische, aber teilweise reflektierte Meinung: Das Land hatte, gegenüber anderen Staaten in Zentralasien einige Vorteile. Es musste nach dem Zusammenbruch der UdSSR keine Schocktherapie durchmachen, wie zum Beispiel Kasachstan. Durch die recht willkürliche Grenzziehung und Bildung der Sowjetrepubliken wurde Usbekistan, im Gegensatz zu seinen Nachbarn, auch hinsichtlich der Ressourcen bevorteilt. Es gibt Wasser und blühende Landschaften östlich von Taschkent, die einen Anbau von Nahrungsmitteln ermöglichen und Usbekistan zum Selbstversorger zu machen. Die Anrainerstaaten haben nicht diese Grundlagen.

Amir Temur -  Weltenbezwinger und Nationalheld

Amir Temur – Weltenbezwinger und Nationalheld

Dies war vor dem 20. Jahrhundert nicht so relevant wie heute, denn erst die sozialistische Grenzziehung und der Zusammenbruch der UdSSR machten souveräne Staaten aus den Volksgruppen, die vorher recht lose Gesellschaftssysteme in Zentralasien bildeten. Usbekistan hat also schon aufgrund seiner Lage die Möglichkeit eine stabile, eigenständige Ökonomie zu entwickeln. Es gibt seit Jahrzehnten wirtschaftliche Kooperationen mit Südkorea, China kommt als wichtiger Partner nun dazu, interessiert am Gas und ausgestattet mit der Technologie, die es verarbeitet und zur Verfügung stellt. Anders als einige Länder in Afrika ist Usbekistan dabei ein gleichberechtigter Partner, denn es bietet die Ressourcen und kauft Technologie. Die Regierung achtet stark auf die wirtschaftliche Souveränität des Landes.

Schmiedearbeiten neben dem Bazar

Schmiedearbeiten neben dem Bazar

Anders als in Kasachstan wird hier die Ausbeutung der Ressourcen nicht an Investoren verkauft, sondern sie werden beteiligt. Ein Beispiel: Die Straßen Taschkents sind voller Daewoos, genauer gesagt „Uz-Daewoo“, ein Südkoreanisch-Usbekisches Joint Venture, dessen usbekische Fabriken sich „Uzawtosawod“ nennen. Seit 2008, mit dem Aufkauf von Daewoo durch General Motors nennt sich die Marke „GM Uzbekistan“. Anstatt des Daewoo-Logos klebt nun das der GM-Tochtermarke Chevrolet an der Motorhaube. Der Plan von Uzawtosawod ist es, die gesamte Teileproduktion in Usbekistan zu ermöglichen – ohne lange Transportwege könnten günstige Autos für ganz Zentralasien produziert werden.

Auf dem Chorsu Bazar gib es alles in rauhen Mengen und günstig

Auf dem Chorsu Bazar gib es alles in rauhen Mengen und günstig

Durch den Reichtum des Landes ist auch die Steuerpolitik extrem moderat. Der höchste Einkommenssteuersatz liegt unter 20 Prozent, eine Mehrwertsteuer im europäischen Sinne gibt es eigentlich nicht. Man findet in dem Land kaum Geldautomaten, Usbekistan ist dabei, seine Währung unabhängig vom weltweiten Geldsystem zu etablieren. Nachdem sich der Dollar als zweite und stabilere Währung im Handel (zum Beispiel beim Autokauf) durchgesetzt hatte, wurde er nun für den inländischen Handel verboten. Dollars oder Euro in der Tasche sind strafbar. Der usbekische SOM hat eine hohe Inflationsrate, für einen Euro gibt es heute 3200 SOM, im nächsten Monat wird es noch mehr sein. Man rennt also mit riesigen Bündeln von Geldscheinen durch die Straßen, der größte Schein hat einen Wert von 5000 SOM, nicht mal zwei Euro, und wird seit dem letzten Jahr gedruckt.

Feierabend auf dem Basar - das eingenommene Geld ist wenig wert und füllt Tüten

Feierabend auf dem Basar – das eingenommene Geld ist wenig wert und füllt Tüten

Akmals Meinung zur Inflation ist auch patriotisch und er hat eine recht lässige Position. Ja, es gibt eine hohe Inflationsrate und die Regierung versucht alles, um sie so gering wie möglich zu halten, allerdings stellt sich beim SOM ohne weltweite Verkettung das dar, was passiert, eine Entwertung des Geldes. Abgesehen von den vielen Geldscheinen und Nullen beeinflusst die Inflation aber nicht die usbekische Gesellschaft. Seiner Meinung nach hat die Bankenkrise Usbekistans Alltag nicht betroffen, weil er eben autark funktioniert. Eine Diskussion über den finanziellen Protektionismus, an welchem sich das autoritäre Regime gut darstellen lässt, brauche ich mit ihm wohl nicht anzufangen. Mir sitzt ein erfolgreicher Geschäftsmann gegenüber, der seine Sicht mitteilt und er hat wenig zu beklagen. Er erzählt von einem Studienfreund, der nach Europa gegangen ist und immer noch eine Wohnung mietet, also in Europa nicht das erfolgreiche Business aufgebaut hat, wie er selbst in der gleichen Zeit in Taschkent.

Transporter

Transporter

Der russisch-amerikanische Konflikt verursacht seiner Meinung nach einen negativen Einfluss auf die usbekische Gesellschaft. Beide Seiten seien an einem destabilisierten Zentralasien interessiert um es militärisch und strategisch für sich vereinnahmen zu können. Auch bei den kirgisischen Übergriffen auf usbekische Siedler an der Grenze hätten die Großmächte keinen friedenssichernden Einfluss gesucht. Es sei der rücksichtsvollen usbekischen Politik zu verdanken, dass der Konflikt nicht weiter eskaliert ist. Obwohl die starke usbekische Armee ohne Probleme innerhalb weniger Tage Kirgistan einnehmen könnte, hat man sich zurückgehalten und Kompromisse geschlossen.

Müllverbrennungsanlage

Müllverbrennungsanlage

Spätestens an dieser Stelle ist es für mich ersichtlich, dass Akmal durchaus meinungsbildend argumentieren möchte und seine weiteren Ausführungen, die Usbekistan als den letzten vernünftig denkenden Rückhalt in einer dualistischen Welt darstellen, sind mir ein wenig zu verschwörungstheoretisch.
Meine Impressionen aus Taschkent bezeugen aber auf jeden Fall ein anderes Bild, als es die verängstigten europäischen Vorurteile vermitteln wollen. Die kulturellen Wurzeln und die Altstadt wurden in den sechziger Jahren des letzte Jahrhunderts durch ein Erdbeben zerstört. Der sowjetisch gelenkte Wiederaufbau prägt bis heute das Stadtbild, große Straßen, weite Plätze, siehe Kharkiv.

Sozialistische Großraumarchitektur - davor staunender Dirk

Sozialistische Großraumarchitektur – davor staunender Dirk

Hier lebt auch eine bereits im Stalinismus forcierte, weil hierher gelenkte multiethnische Gemeinschaft. Viele Koreaner sind im Koreakrieg hierher „geflüchtet worden“. Es gibt für alle Arbeit, viele Stunden, wenig Einkommen, aber doch ausreichend. Geschäftsideen werden schnell zugelassen, der große Schosun Bazar zeugt von dem Überangebot an Waren. Kaum Bettler, aber Devisentauschangebote an allen Ecken, in der Hand die Plastiktüte voller Geldscheine. Laut Gesetz strafbar, trotzdem Alltag. Auch wir tauschen hier unser Geld. Schüler fallen durch die einheitliche Schulkleidung auf: Hemd/Bluse weiß, Hose/kurzer Rock schwarz. Schulen und Krankenhäuser sind kostenlos. Als Hauptstadt eines moslemisches Landes fällt Taschkent nicht auf, auch der gern propagierte Polizeistaat ist im Stadtbild nicht ersichtlich. Polizisten finden wir an den Eingängen der Metrostationen, unsere Taschen werden durchsucht, die Kopien unsere Pässe werden begutachtet, es gab Anschläge.

Polizeikontrolle am Metroeingang

Polizeikontrolle am Metroeingang

Polizisten dürfen nicht fotografiert werden, ich frage einen, er sagt „nelsja“ und lässt mich dann doch ein Foto schießen. Abgesehen vom Schulzwang, der besonders Kinder ärmerer Bevölkerungsschichten aus dem familiären Geschäft in die Schulen holt, bekomme ich in den fünf Tagen den Eindruck von einer freien, stark säkularisierten Gesellschaft, ein weiterer Tigerstaat, der sich erfolgreich, wenn auch mit teilweise autoritären und fragwürdigen Methoden den weltwirtschaftlichen Profitinteressen verweigert. Eine stabile, sozial verantwortliche Gesellschaft, die auch ohne westliches, oder russisches Wertesystem funktioniert. Akmal sagt dazu nur: „Russland? Das schaut sich doch bei uns ab, wie man einen Sozialstaat aufbaut.“

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