Asem und Almaty

Asem und der lange Gang

Asem und der lange Gang

Das ist Asem. Sie begrüßt uns mit drei Worten Englisch im gerade eröffneten Nomads-Hostel in Almaty. Asem ist 19 Jahre alt und studiert Jura im zweiten Jahr. Jetzt in den Semesterferien arbeitet sie in der Rezeption des riesigen Hostels. Zweiundsiebzig Betten. „Das größte Hostel in Almaty.“ sagt sie stolz. An einem langen Gang reihen sich die Mehrbettzimmer, ganz hinten im Gang gibt es das Gemeinschaftszimmer mit Küche. Wenn Asem nicht durch den Gang rennt, sitzt sie vorne am Tresen und klickt im Internet herum. Da sie so klein ist, sehen wir sie nicht, sie hört uns aber und steht dann auf, um uns zu begrüßen, oder einfach nur zu sehen, wer da kommt. Mich hätte es nicht gewundert, wenn sie auf einmal aufgetaucht wäre und wie im Kasperletheater „Seid ihr alle da?“ gerufen hätte. Im Hostel wird immer noch gebaut. Es zieht ein Lackgeruch durch die Räume. Ein Arbeiter geht durch die Zimmer und lackiert die Badewannen. Eigentlich sollte man hier wohl noch niemanden ins Haus lassen, allerdings sind wir schon die zweiten Gäste. Asem merkt man schnell an, dass sie nur mit dem Übersetzer im Handy Englisch reden kann, wir einigen uns also auf russische Kommunikation, dabei hilft sie mir gerne unaufgefordert, die Sätze richtig zu formulieren. Sie ist auch überrascht, wenn sie mir ihre Frage in einfacheren Worten stellen soll, ich müsse wirklich Vokabeln lernen, sagt sie dann.
„Wie oft spazierst du eigentlich jeden Tag durch den Gang?“ frage ich sie „Ich spaziere doch nicht.“ antwortet sie entrüstet. „Natürlich spazierst du nicht.“ beschwichtige ich „Also wie oft gehst du?“ „Naja, so 30 Mal, vielleicht?“. Wenig später, als sie wieder an unserem Zimmer vorbeiläuft, ruft sie hinein: „Vielleicht sind es aber auch 40 Gänge.“ Dabei lächelt sie entwaffnend und ich lächle zurück. Den störenden Lackgeruch erwähne ich ihr gegenüber nicht.

„Findest du Almaty nicht ganz schön laut?“ frage ich. „Na, wir sind hier im Zentrum, es gibt stillere Orte in der Stadt. Ihr müsst Euch die vielen Parks ansehen.“ Sie beginnt die Namen der schönsten aufzusagen. Natürlich merke ich mir keinen, aber ich nicke trotzdem. „Und eine Querstraße weiter, wenn einen ständig jemand anspricht, ob man ein Handy kaufen möchte, stört dich das nicht?“ „Ach, beim Basar. Nein, da gehe ich nicht allzu oft entlang und dann ignoriere ich die.“ Sie wird sich keinen negativen Satz über ihre Stadt entlocken lassen. „Aber einmal hab ich da nur an der Ecke gestanden, ganz kurz. Da kam einer auf mich zu und fragte mich ‘Kaufst du oder verkaufst du Handys?’“ Asem hat Humor und Energie. Sie nimmt ihren Ferienjob in ihrem Hostel in ihrer Stadt ernst. Nach dem autokratischen System, dem Fehlen von Opposition oder dem Verscherbeln der Ressourcenausbeutung an internationale Konzerne brauche ich sie nicht zu befragen. Sie mag es hier. „Warum sollte man woanders hin wollen, die Stadt ist wirklich schön.“ sagt sie ohne zu zögern. Ich glaube ihr.

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